Das Business von Bernhard Schmidt ist Maschinenbau für Textilveredelung mit Geschäftspartnern und Kunden in der ganzen Welt. Eigentlich. Dann kam die Corona-Pandemie und die Nepata Vertrieb GmbH fand sich plötzlich im internationalen Kampf um Gesichtsmasken wieder. „Und plötzlich waren wir da in einem merkwürdigen Spiel mit drin“, erinnert sich der Hallertauer Unternehmer. Über die Chronologie einer Herausforderung.

Januar 2020: Noch blickt die Welt nach China

Das Coronavirus hat Deutschland erreicht. Ein Mann in Landkreis Starnberg ist infiziert. Weitere Fälle werden in Ländern wie den USA oder Taiwan bekannt. In der Provinz Wuhan in China, wo das Virus seinen Ursprung nahm, steigt die Zahl der Infizierten auf 270.

Verrückt, wenn man daran zurückdenkt. Der Corona-Virus wurde in einem Atemzug genannt mit BSE oder der Schweinegrippe, Krankheiten, die vor allem in anderen Ländern und in den Nachrichten passieren, nicht bei uns. Bernhard Schmidt hatte damals bereits einen differenzierten Blick auf die Dinge. Als er mit langjährigen Geschäftspartnern und Freunden in China telefoniert, erreicht ihn eine eindringliche Warnung: Das kommt zu euch auch, tragt Masken. „Damals war die herrschende Meinung noch, dass Masken überhaupt nichts bringen“, erinnert er sich. Gesichtsmasken – was heute Normalität ist, war im Januar noch undenkbar. Genauso undenkbar, wie die Geschwindigkeit, mit der sich die Corona-Lage auch in Deutschland zuspitzen würde.

Februar 2020: Die Lage spitzt sich zu

Das RKI schätzt die Gefahr des Corona-Virus für Deutschland nach wie vor als gering ein. Reisende aus Wuhan werden vorsorglich isoliert. Diese Einschätzung wird schnell revidiert, als sich die Lage in Italien dramatisch ändert: Über 50 Neuinfektionen in nur einer Nacht, mehrere Tote innerhalb weniger Tage. Gesundheitsminister Jens Spahn warnt: Corona ist in Europa angekommen. Wuhan befindet sich im kompletten Lock-Down, die Krankheit befällt nach und nach auch das Wirtschaftssystem.

„Anfangs sah es ja so aus, als würde sich nur die wirtschaftliche Lage zuspitzen, vor allem für die Automobilindustrie“, erzählt der Geschäftsführer der Nepata Vertrieb GmbH. BMW konnte keine Schiebedächer mehr liefern, denn die wurden im coronagebeuteltem Wuhan produziert. Früh bekamen aber auch Bernhard Schmidts Mitarbeiter, wie Corona das Leben ganzheitlich auf den Kopf stellen kann, als sich nicht viel später ein Paket von ihren Freunden aus China zu ihnen auf den Weg macht.

März 2020: Der Lockdown kommt

Immer mehr Fälle in Deutschland werden bekannt. Der Krisenstab der Bundesregierung verbietet den Export von medizinischer Schutzausrüstung. Die Bundesregierung appelliert an die Menschen, die Situation ernst zu nehmen. Das öffentliche Leben wird eingeschränkt, Ausgangsbeschränkungen verhängt, Geschäfte schließen. Am Ende des Monats befindet sich auch Deutschland im Lockdown.

„Mehr oder weniger ungefragt haben uns unsere chinesischen Geschäftspartner dann im März Gesichtsmasken geschickt mit dem Hinweis, dass sie absolut notwendig werden“, meint Bernhard. Obwohl die Lage ernst ist, erntet man im Supermarkt noch irritierte Blicke, wenn mit Gesichtsmaske einkaufen geht. „Es liegt uns ja in den Genen, Dinge zu bedrucken, und das haben wir dann auch mit den Masken gemacht.“ Mitarbeiter der Nepata Vertrieb GmbH zeigen sich mit den frisch bedrucken Masken in sozialen Medien. „Und dann wurde die Stadt Pfaffenhofen auf uns aufmerksam, denn da war von politischer Seite schon klar, dass die Masken entweder Pflicht werden oder die Menschen dazu angehalten werden, sie freiwillig zu tragen.“ Innerhalb weniger Tage war die Entscheidung gefallen: Die Nepata Vertrieb GmbH steigt ins Maskengeschäft ein. Es folgt eine Odyssee. „Und plötzlich waren wir da in einem merkwürdigen Spiel mit drin.“

April 2020: Wir brauchen Masken

Ostern im Zeichen von Corona. Über 100.000 Menschen in Italien sind infiziert, über 12.000 gestorben. Die Deutsche Wirtschaft liegt lahm. Menschen arbeiten von zuhause aus, oder gar nicht mehr. Schulen und Universitäten sind geschlossen. In der Presse diskutiert man den Sinn und Unsinn von Gesichtsmasken. Die Maskenpflicht an öffentlichen Orten aber wird kommen.

„Pfaffenhofen gehörte zu den ersten, die bei uns Masken bestellt haben“, erinnert sich Bernhard. Plötzlich verändert sich die Rolle seines Unternehmens, die Rolle seiner Mitarbeiter. Die Leiterin der Personalbuchhaltung wird zur Chef-Designerin und entwirft in wenigen Tagen ein Schnittmuster. Konstrukteure und Maschinenbauer verhandeln mit DHL. Die chinesische Fabrik, die die Masken produziert, stellt eigentlich Sportkleidung her. Die Mitarbeiterin für Content-Marketing bedruckt Masken.  Die Corona Pandemie wird zu einem merkwürdig morbiden Spiel, deren Regeln sich fast täglich ändern, die Zahl der Mitspieler wird immer unübersichtlicher. „Hier vor Ort waren alle sofort bereit, ihren Teil zu leisten. Die Masken zu uns nach Wolnzach zu bekommen war am Ende am schwierigsten, “, fasst Bernhard zusammen. An unproblematischen Nahtstellen in der Lieferkette hakt es plötzlich.  Gerüchte gehen um: Auf dem Weg zum Flughafen von den Fabriken werden Masken gestohlen. In der EU kommen Beschwerden über gefälschte, medizinische Masken auf, weswegen der chinesische Zoll Zertifikate und Kaufverträge verlangt. Alles verzögert sich.

Die Reise der Masken nach Deutschland wird zum Irrsinn, wie Bernhard es formuliert: „Die ersten paar Tausend Masken bekamen wir noch ganz normal über UPS und DHL, irgendwann dauerte es immer länger.“ Merkwürdige Angebote landen im E-Mail-Postfach der Nepata Vertrieb GmbH. „Sie wollen ihre Lieferung schneller haben? Kein Problem, sie können sie in fünf Tagen haben, dann kostet das aber mehr und dieses Angebot hat eine Gültigkeit von zwei Stunden.“  Auf dem Zwischenflughafen in Aserbaidschan findet ein Militärmanöver statt, die Masken drohen in Baku festzustecken. „Man gab uns dann nochmal eine einmalige Chance für einen kleinen Aufpreis, diesen Flughafen zu umgehen. Das war wirklich so: ‚Jetzt haben sie da mal 2 Stunden Zeit, dann können wir ihnen einen alternativen Flug anbieten. Ansonsten sitzt die Ware in Baku fest.‘ Da ging es eigentlich nur um totale Abzocke.“

Und selbst, als die Masken auf deutschem Boden landen, geht das Zittern weiter. Fracht-Broker in München erzählen, die Masken würden vom Gewerbeaufsichtsamt in München festgehalten, die mitgelieferten Zertifikate seien ungültig. „Dabei handelte es sich bei unseren Masken gar nicht um medizinische Masken, sondern um einfache Community-Masken“, erklärt Bernhard etwas ungläubig. Nach und nach kommen Masken in Wolnzach an, aber eigentlich noch zu wenig. Die erste große Lieferung, mit der der Landkreis Pfaffenhofen seine Bürger versorgen will, kommt am Freitag, den 24. April abends um 10 Uhr an. Am 27. April herrscht in Bayern Maskenpflicht und jeder Bürger des Landkreises Pfaffenhofen erhält eine Gesichtsmaske der Nepata Vetrieb GmbH. Der Weg dorthin: Ein Kraftakt.

Mai 2020: Das Leben geht weiter, aber nur mit Maske

Die Maske wird wichtiger denn je. Langsam aber sicher dürfen Gastronomen in Deutschland unter strengen Auflagen ihre Geschäfte wieder öffnen . Einkaufen, Behördengänge, Arztbesuche – die Menschen verschwinden hinter der Gesichtsmaske, um sich und andere vor dem tödlichen Virus zu beschützen, das mit dramatischen Folgen in der ganzen Welt um sich greift.

Die Kommunen sind versorgt, die Druck, der auf der Neptata Vertrieb GmbH den kompletten April über lastete, baut sich etwas ab. Das Unternehmen musste innerhalb eines Monats auf die Veränderungen des Marktes und die Bedürfnisse der Partner reagieren. „Unsere eigentliches Business ist ja, dass wir Sachen bedrucken. Das ist die eigentliche Story unserer Firma. Wir stellen Maschinen her zum Bedrucken von Textilien. Dass wir da lauter Blanko-Masken verkaufen, das war eigentlich nicht unsere Intention“ so Bernhard. Einstimmig hat man sich deswegen auch darauf verständigt, aus der Notsituation so vieler Menschen keinen Profit schlagen zu wollen, wie die Mitarbeiter es bei so vielen anderen Playern in den vergangenen Monaten erlebt haben. Die Blankomasken werden nun in Wolnzach mit Sprüchen oder Logos bedruckt, Gewinn will man damit aber keinen machen. „Unsere Kunden sind Leute, die für Sportvereine und Festivals T-Shirts und Sporklamotten machen. Die haben gerade im Moment auch nichts zu tun. Sport liegt brach, es gibt keine Festivals, und die sind jetzt natürlich auch froh, dass das Maskengeschäft kommt“, macht Bernhard deutlich.

Mit dem Bedrucken von Masken will das Hallertauer Unternehmen aber noch einen weiteren Beitrag leisten. „Vielleicht können wir den Masken durch einen lustigen Spruch etwas von ihrer Schärfe nehmen und sie so besser für die Menschen im Alltag integrieren“, erklärt Bernhard. „Und der Gewinn daraus kommt sozialen Einrichtungen wie der Pfaffenhofener Tafel in Form von Maskenspenden zugute.“ Eine fast schon unglaubliche Geschichte um eine Gesichtsmaske nimmt ein Ende, und beweist: Mit etwas Flexibilität und vielen Nerven kann man dieses furchtbare Spiel, das sich Corona nennt, auch mit Fairness spielen.